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Nachtaufnahme
Schritte und Geräusche

Optimisten schreiben schlechte Gedichte.
Paul Valéry

AUSZUG

Des Königs Schwermut

Ach Akazie, ruft es. Der König hat heute schönes Wetter
befohlen. Tatsächlich ist das Wetter sonnig und
stündlich. Deshalb gehen sie dahin, Volk und
Geschmeiß in sauberen Kostümen, friedfertig wie
schlummernde Wölfe; nichts ist zu tun, außer den Tag
zu kennen, wie er sich hinstreckt an einem Ufer und die
Kirschen rollen lässt.
  Der König träumt oben auf seinem Fels, zerzaust wie
ein Windspiel geht er platonisch durch Gärten, deren
abgerissene Blätter bewundernd.
Heute möchte ich mir auf den Kopf schlagen,
Kraniche sammeln und ein mysteriöses Rätsel stellen.
Hängen sollte auch jemand, oder besser wäre es,
ihn zu erschießen, meint der König.
Eine Exekution mit Korallenzweigen und
unerschrockenen Düften.
Alle sollen sprechen lernen, die richtigen Wörter
auf Bretter nageln zur Anschauung und Lehre und
den Reigen tanzen.
Man sollte auch öfter Dame sagen, Dummkopf und Dill.
Ach, soviel Aufgaben existieren!
Es ist gut, sie in ein Glas zu sperren und bisweilen
dagegen-zu-klopfen – und vergessen sollte jeder,
wer er ist.
Herrliches Vergessen! Welch ein Betäubungsmittel!
Könnte man es zu sich nehmen in Löffeln und
durch die Kehle treiben!
Bin ich ein Hase, der Winkel schlägt, das Grün einer
Wiese; oder ein Matrose mit kahlgeschorenem Nacken?
Du und Ich. Ich und Du. Wer? Doch sagt Euer Gnaden.
Anschwellende Wut, da möchte ich wieder jemanden
töten. Oder mich prima in den Selbstmord
transportieren.
Wenn ich laufen könnte oder ein Wüstenkönig wär'!
So müde kann ein Mensch sein, dass er seine Beine
vergisst. Herrje, spricht der König.
Was träumt? Was möchte immerzu Locken sammeln?
Unehrenhaft wäre es, zu viel Schnaps zu trinken und an
Bäume zu pissen.
Meine diabolische Nase riecht zu stark die schmutzigen
Füße und das dumme Volk.
Doch Absolution und endlich Nacht.

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